Tipps rund um das Persönliche Budget – ein kleiner Leitfaden
Viele von euch haben sicher schon von der Wahlmöglichkeit des Persönlichen Budgets gehört, wenn es um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch geht.
Wir haben vor längerer Zeit für Ellas Pflege und ihre Schulassistenz ein trägerübergreifendes Persönliches Budget beantragt und erhalten seitdem eine Geldleistung anstelle der früheren Sachleistung. Weil wir schon oft angesprochen wurden, wie es bei uns funktioniert, wollen wir euch in unserem Blog ein paar Tipps geben, die auf unseren Erfahrungen mit dem Persönlichen Budget beruhen, wenn ihr euch mit dem Thema noch nicht so gut auskennt. Da die Leistungen im Persönlichen Budget vielfältig und die Verfahren im Einzelfall unterschiedlich sein können, möchten wir euch anhand unseres Beispiels vor allem Ratschläge geben, wie ihr euch mit dem ziemlich komplexen Thema generell vertraut machen könnt.
Und wir wollen euch Mut machen. Lasst euch nicht von den ganzen Formalitäten abschrecken, sondern entwickelt ein eigenes Modell für euch, das euch hilft, eure Bedürfnisse selbstbestimmter zu regeln. Denn darum geht es vor allem im Persönlichen Budget: mehr Selbstbestimmung!
Mehr Selbstbestimmung durch das „Persönliche Budget“.
Das Persönliche Budget (PB) ist eine Leistungsform nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) und wurde zum 1.Juli 2001 eingeführt. Der Sinn des PB ist, für den Leistungsempfänger neben den immer noch bestehenden Dienst- oder Sachleistungen eine Möglichkeit zu schaffen, Geldleistungen in Form eines Budgets zu erhalten und sich damit benötigte Dienst- oder Sachleistungen selbst „einzukaufen“. Dadurch kann der Empfänger seinen Bedarf eigenverantwortlich und selbstbestimmt regeln. Seit dem 1.Januar 2008 besteht auf diese Wahlmöglichkeit sogar ein Rechtsanspruch. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales informiert auf seiner Internetseite sehr umfassend über das Persönliche Budget, dort kann man sich auch Informationsmaterial kostenlos Downloaden.
Ist das Persönliche Budget auch etwas für mich?
Diese Frage stellten wir uns am Anfang auch, als wir in erster Linie die pflegerische Versorgung Ellas verändern wollten, weil wir uns der häufig schwierigen Pflegesituation hilflos ausgeliefert fühlten. Bevor es soweit war, haben wir im Vorfeld viel Recherche betrieben, weil wir zwar von der Leistungsmöglichkeit schon gehört hatten, aber nicht wussten, wie es funktioniert. Es gibt für viele verschiedene Leistungen die Möglichkeit, das PB zu beantragen. Da wir vorher die häusliche Pflege als Dienstleistung von einem Pflegedienst und Leistungen vom Sozialamt für Ellas Schulassistenz erhielten, wollten wir auch gern beides in einem trägerübergreifenden Budget verankern, d.h. nicht nur mit einem, sondern mit zwei Leistungsträgern: der Krankenkasse und dem Sozialamt. In der Regel ist ein Leistungsträger der Hauptträger, mit dem man im weiteren Verfahren auch hauptsächlich zu tun hat. Dort stellt man den Antrag, regelt vertraglich die sogenannte Zielvereinbarung, erhält von diesem die Geldleistung und erbringt im Gegenzug die notwendigen Qualitätsnachweise und die Belege für die Ausgaben. Bei uns ist es unsere Krankenkasse, weil Ellas Intensivpflege auch den Großteil des Budgets beansprucht. Bei der Antragstellung, für die es auch Musterformulare zum Downloaden gibt, kreuzt ihr die Bereiche an, in denen euer Bedarf besteht. In unserem Fall waren es die Bereiche „Medizinische Rehabilitation“: Häusliche Krankenpflege § 37, SGB V und „Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“: Schulbegleitung, Alltagsassistenz § 54 Abs. 1, SGB XII. Erkundigt euch am besten telefonisch bei eurem Leistungsträger, z.B. der Krankenkasse, ob sie eigene Formulare haben bzw. wie der weitere Ablauf ist, wenn mehrere Träger für verschiedene Leistungen infrage kommen. Vor der Antragstellung finden aber in der Regel auch ein bis zwei Beratungsgespräche statt. Wir fanden besonders gut, dass wir uns ein zweites Mal mit unserer Krankenkasse und einem externen Berater treffen konnten, weil nach dem ersten Gespräch doch noch einige Fragen auftauchten, die wir klären konnten, bevor wir gemeinsam den Antrag ausgefüllt haben.
Mein Tipp: findet als erstes heraus, für welche Leistungen ihr das Persönliche Budget benötigt und wer der Leistungsträger, also euer Ansprechpartner, sein soll. Ist auch für euch ein trägerübergreifendes Budget sinnvoll? Wer ist der Hauptträger?
Fragen über Fragen. 🤯😅
Am Anfang steht man erst mal vor einem riesigen Berg von Fragen und Informationsdefiziten. Um für erste Gespräche mit unserer Krankenkasse gerüstet zu sein, informierten wir uns vor allem über das Persönliche Budget im Internet. Schnell war klar, dass man dort einer Informationsflut ausgesetzt ist, die zwar generell gut ist, weil viele Informationen vorhanden sind. Es ergeben sich beim Lesen aber auch Fragen oder man sucht Rat, wenn Informationen verunsichern. Oft ist es auch schwierig, genau die Informationen zu finden, die man für seinen speziellen Bedarf sucht, da es ja auch viele verschiedene Möglichkeiten gibt, sich Leistungen budgetieren zu lassen. Es empfiehlt sich daher, sich auch von unabhängigen Stellen persönlich beraten zu lassen. Das können Vereine oder Verbände sein, die euch als Antragsteller unterstützen und eure Interessen vertreten. Nach unserem ersten Beratungsgespräch mit der Krankenkasse haben wir uns z.B. an den fab e.V. (Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter) bei uns vor Ort gewandt und dort sehr umfangreiche Informationen und auch ganz praktische Tipps erhalten, da der Verein mit dem Persönlichen Budget im Arbeitgebermodell viele Erfahrungen gemacht hat. Ein Glücksfall für uns – so waren wir für unser zweites Gespräch mit der Krankenkasse schon viel besser informiert. Ganz sicher gibt es auch bei euch vor Ort ähnliche Vereine oder Verbände. Spontan fallen mir z.B. auch die „Lebenshilfe eV“ oder der „LWV“ (Landeswohlfahrtsverband) ein, die im ganzen Bundesgebiet regionale Beratungsstellen haben. Auch sie können euch zum Thema Persönliches Budget weiterhelfen – oft sogar über den ganzen Prozess von der Antragstellung bis zur Organisation. Vielleicht kennt ihr jemanden, der bereits das Persönliche Budget in dem Bereich nutzt, der auch für euch infrage kommt? Sich über Gedanken und Gefühle zum Thema auszutauschen, über eigene Bedenken oder Unsicherheiten zu sprechen, kann neben den sachlichen Informationen auch einfach mal guttun.
Mein Tipp: sucht euch Hilfe bei unabhängigen Beratungsstellen, Ansprechpartner, die eure Interessen verstehen und vertreten. Selbstbestimmtes Handeln bedeutet nämlich nicht, dass man immer alles auf Anhieb wissen und allein können muss. Solche Beratungsgespräche können euch auch generell erst mal zur Klärung verhelfen, ob das Persönliche Budget überhaupt euer Modell ist, wenn ihr Zweifel habt. Nicht jedem fällt es beispielsweise leicht, eine Arbeitgeberfunktion zu übernehmen, wenn man Assistenten einstellen möchte. Es ist gut und wichtig, sich im Vorfeld über die eigenen Aufgaben klar zu werden und sich bewusst für das Persönliche Budget zu entscheiden.
Und weiter geht‘s: Formalitäten und erste organisatorische Dinge.
Nach der Antragstellung kommen eine Reihe von Formalitäten und erste organisatorische Aufgaben auf euch zu. Jetzt geht es vor allem darum, zu ermitteln, welche Geldsumme ihr monatlich für euren Bedarf benötigt. Das war für uns die kniffeligste Aufgabe, denn die Krankenkasse wollte natürlich von uns eine Kostenkalkulation haben, d.h. eine Aufstellung der monatlichen Ausgaben für Personal und allen anderen Kosten. Wer so etwas noch nicht gemacht hat – wie wir 😳 – steht erst mal ziemlich planlos da. Zum Glück hatten wir unser Gespräch mit dem fab e.V. – und sie halfen uns bei genau dieser schwierigen Aufgabe weiter. Es gibt auch im Internet Musterbeispiele für Kostenkalkulationen, aber entweder haben wir nicht gut genug gesucht oder es gab wirklich nichts Passendes in unserem Fall. Die meisten waren speziell auf andere Bedarfe bezogen. Leider kann ich unsere Kalkulationstabelle im Excelformat nicht verlinken, weil ihre Grundlage Eigentum des Vereins ist und sie diese ohne Beratung nicht veröffentlichen möchte, was wir sehr gewissenhaft finden. Aber vielleicht ist jemand von euch auch im Internet fündig geworden, über einen Link in den Kommentaren würden wir uns sehr freuen, um auch anderen bei dieser Aufgabe zu helfen. Wenn man selbst Mitarbeiter einstellt, wie z.B. Pflegekräfte, arbeitet man im sogenannten Arbeitgebermodell. Man arbeitet rechtlich eigenverantwortlich und erstellt auch die Lohnabrechnungen selbst. Da wir uns im Lohn- und steuerrechtlichen Bereich nicht so gut auskennen, haben wir ein Steuerbüro für die Lohnabwicklung beauftragt. Unser Steuerberater hat für uns die nötige Betriebsnummer beim Finanzamt beantragt und übernimmt die jeweiligen Anmeldungen der Mitarbeiter/innen zur Steuer und bei den jeweiligen Krankenkassen. Eure Angestellten sind somit steuer- und sozialversicherungspflichtig bei euch angestellt und versichert. Auch ihre Anmeldung bei der in eurem Bundesland zuständigen Unfallkasse hat unser Steuerbüro übernommen und aktualisiert sie im Laufenden falls ihr mal mehr oder weniger Mitarbeiter/innen beschäftigt. In der Folge übernimmt das Steuerbüro monatlich die Berechnung der Lohn- und Krankenkassenkosten und der Steuern, die ihr als Arbeitgeber an das Finanzamt abführen müsst. Auch Krankmeldungen oder Urlaubstage werden von ihm bearbeitet. Ihr könnt neben euren hauptberuflich Angestellten natürlich auch geringfügig Beschäftigte auf 450 € Basis einstellen, Anmeldung und Lohnabrechnung erledigt der Steuerberater. Unser Steuerberater ist ein ganz wichtiger Ansprechpartner geworden, weil sich im Lauf der Zeit doch immer wieder steuerrechtliche Neuerungen ergeben oder auch ein Arbeitsvertrag mal aufgelöst werden soll bzw. neue Beschäftigungsideen auftauchen. Er steht uns immer mit Rat und Tat bei oder gibt uns einen Tipp, wen wir ansprechen können.
Die Kostenkalkulation.
Zur Kostenkalkulation gehören neben den Lohnkosten auch alle anderen Kosten, die anfallen. So z.B. auch die Beauftragung des Lohnbüros, Beratungskosten und Kosten für die Unfall-/Haftpflichtversicherung eurer Angestellten. Als Zusatzkosten haben wir außerdem noch eine monatliche Pauschale für Pflegehilfsmittel und eine für die Budgetverwaltung und Nachweiserbringung berücksichtigt, weil euch ja auch dort Kosten entstehen. Auch kleinere Ausgaben wie für die Kontoführung eures Budgetkontos, auf das die monatliche Geldleistung des Leistungsträgers eingezahlt wird und über das eure Lohnabrechnung bzw. alle weiteren Ausgaben laufen, sowie Kosten für die Dokumentation sollten berücksichtigt werden. Ob als Pauschale oder in Form von tatsächlichen Kosten: auch wenn die Beträge nicht hoch sind, verschaffen Sie euch einen gewissen Handlungsspielraum bei zusätzlichen Kosten, die im Monat anfallen können. Und sie schützen euch davor, diese nicht aus privater Tasche finanzieren zu müssen. Ganz besonders wichtig finden wir die sogenannte Schwankungsreserve, die jeden Monat fest mit eingeplant werden sollte. Diese bezieht sich auf die Lohnkosten und ist gedacht für z.B. Krankheitsausfallkosten, wenn ihr geplante Mitarbeiter/innen vorübergehend ersetzen müsst, weil sie für einen längeren Zeitraum ausfallen. Euch werden auch Zusatzkosten für Einarbeitungen entstehen, wenn ihr Dienste zeitweise doppelt belegen müsst. Auch z.B. bei Teamsitzungen müsst ihr ja zeitgleich Stunden für mehrere Mitarbeiter/innen rechnen, obwohl die Berechnung der reinen Lohnkosten im Budget immer nur von einer Person pro Stunde ausgehen. Man kann neben den Dienststunden z.B. auch Bereitschaftsstunden als Hintergrundbereitschaft als Ausfallreserve in die Schwankungsreserve einplanen. Auch für Fortbildungen eurer Mitarbeiter/innen ist es wichtig eine Geldreserve einzuplanen. Und die Assistenz im Urlaub finden wir wichtig. Sie sollte in der Schwankungsreserve ebenso berücksichtigt werden, weil gerade im Urlaub zusätzliche Kosten für eure Mitarbeiter/innen entstehen (Fahrtkosten, Unterkunft).
Mein Tipp: Setzt euch mit Nachdruck für eine angemessene Schwankungsreserve und die Berücksichtigung von Zusatzkosten ein! Ihr tragt als Arbeitgeber eine große Verantwortung und haftet im Arbeitgebermodell für eure Verträge! Nichts ist schlimmer als schlaflose Nächte, wenn Ihr euch Sorgen machen müsst, ob am Monatsende das Budget reicht. Ihr seid eine wichtige Ressource im Persönlichen Budget und es sollte selbstverständlich sein, dass ihr euch einen finanziellen Handlungsspielraum bewahrt. Andere seriöse Arbeitgeber müssen auch so kalkulieren, wenn sie erfolgreich arbeiten wollen. Es geht bei euch natürlich nicht darum, Gewinne zu erzielen, dafür ist das Persönliche Budget nicht gedacht. Der Leistungsvertrag sieht ja auch vor, dass Überschüsse zurückgezahlt werden müssen. Ihr könnt aber nur selbstbestimmt handeln, wenn euer Persönliches Budget es finanziell zulässt. Es sollte keinesfalls als Sparversion für den Leistungsträger missbraucht werden.
Die „Zielvereinbarung“ – euer Leistungsvertrag.
Habt ihr euch mit dem Leistungsträger auf die Höhe der Geldsumme geeinigt, wird ein Vertrag geschlossen, die sogenannte „Zielvereinbarung“. Darin werden neben den Vertragspartnern (bei einem trägerübergreifenden Budget werden auch die anderen Leistungsträger benannt) und der Höhe des monatlichen Budgets aber noch weitere wichtige Punkte vereinbart. In der Zielvereinbarung sollte auch der Rahmen geschaffen werden, wie ihr eigenverantwortlich mit dem Persönlichen Budget umgehen könnt. Worauf ihr dabei unbedingt noch achten solltet: Ihr entscheidet in eigener Verantwortung, ob, wie, wo und von wem ihr euch beraten lasst. Die Mittel für Beratung und Unterstützung müssen bei der Geldsumme Berücksichtigung finden. Zur Erreichung Eurer Ziele dienen also auch Mittel aus dem Persönlichen Budget, die für Beratung, Planung, Begleitung, Organisation und Abrechnung des Budgets verwendet werden. Das ist der Handlungsspielraum für eure Zusatzkosten und ihr müsst eigenverantwortlich darüber entscheiden dürfen. In der Zielvereinbarung wird auch festgelegt, in welcher Form ihr eure Nachweise für die Verwendung der Mittel erbringen sollt (z.B. Qualifikationsnachweise Eurer Mitarbeiter/innen, Arbeitsverträge, Stundenzettel, Arbeitgeberaufwendungen, Quittungen für sonstige Ausgaben). Der Leistungsträger wird auch Formulierungen zum Wegfall des Bedarfs oder Anpassungen bei wesentlichen Veränderungen verwenden. Im Klartext heisst das, dass das Budget gekürzt oder eingestellt wird, wenn im Fall eines Budgets für Häusliche Krankenpflege ein längerer Krankenhausaufenthalt euren Bedarf zuhause wegfallen lässt. Hier könnt ihr aber auch eure Mitarbeiter/innen zur Versorgung in die Klinik mitnehmen, soweit es auf der Station möglich ist. Dennoch ist es wichtig, dass in der Zielvereinbarung der Passus steht, dass bei einer Anpassung der Höhe des Budgets längerfristig eingegangene Verpflichtungen des Budgetnehmers zu beachten sind. So habt ihr z.B. in euren Arbeitsverträgen Kündigungsfristen mit euren Mitarbeiter/innen vereinbart bzw. ihr müsst ihnen ja auch weiterhin ihren Lohn zahlen können, selbst wenn ihr gerade in der Klinik seid. Oder ihr habt mit einer Beraterfirma einen längerfristigen Vertrag gemacht. Bei allen Verträgen, die ihr abschließt, empfiehlt es sich aber auch, darauf hinzuweisen, dass der Wegfall des Persönlichen Budgets zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann. In der Zielvereinbarung wird darüberhinaus geregelt, was mit den Budgetresten passiert. Generell müsst ihr natürlich Überschüsse innerhalb eines Abrechnungszeitraums an den Leistungsträger zurückzahlen. Auf jeden Fall habt ihr aber dabei die Möglichkeit, einen vereinbarten Betrag für besondere Schwankungen zu behalten, der für besondere Ausgaben auf eurem Konto bleibt. So könnt ihr z.B. unerwartete und außergewöhnliche Kosten decken, die euer Monatsbudget mal übersteigen, wie etwa Ausfallkosten wegen Krankheit Eurer Mitarbeiter/innen. Die Geltungsdauer und Kündigungsfristen werden in der Zielvereinbarung auch klar geregelt. Anders als bei anderen Verträgen wird sie für einen befristeten Zeitraum abgeschlossen. Das kann ein halbes Jahr, ein Jahr oder auch länger sein. Vor Ablauf der Vereinbarung findet ein Zielvereinbarungsgespräch statt, bei dem sich die Parteien über die Zufriedenheit mit dem Persönlichen Budget austauschen und eventuelle Anpassungen der Geldsumme vornehmen. Daraufhin wird die Zielvereinbarung verlängert und gegebenenfalls verändert, sofern es die Parteien wollen. Während der Laufzeit des Vertrages sind aber alle an die Vereinbarung gebunden. Achtung: auch bei der befristeten Vereinbarung werden Kündigungsfristen festgelegt. Es gibt aber auch nicht vorhersehbare Gründe, die während der Laufzeit dazu führen können, dass das Persönliche Budget aufgelöst werden muss. Ein wichtiger Grund kann sein, dass man nicht genügend Assistenten/innen für die Sicherstellung der Persönlichen Assistenz findet (gerade im Sektor Pflege kann dies der Fall sein). Vielleicht kann man aber selbst aus gesundheitlichen oder familiären Gründen die Arbeitgeberfunktion nicht mehr ausüben. Dies sind wichtige Gründe, die ein außerordentliches Kündigungsrecht erfordern. Dies sollte in Eure Zielvereinbarung mit aufgenommen werden. Manche fragen sich vielleicht auch, ob sie ihr Recht auf die Sachleistung verlieren, wenn sie sich erst einmal auf das Persönliche Budget eingelassen haben. Also einmal Budget – immer Budget? Keine Sorge, ihr verliert euren Anspruch nicht, sondern könnt entweder mit der ordentlichen Kündigung oder wenn wichtige Gründe vorliegen auch früher zur Sachleistung zurückkehren. Dies haben wir aber auch noch mal in die Zielvereinbarung mit aufgenommen. Des Weiteren besteht natürlich auch die Möglichkeit, sich Bedarfe budgetieren zu lassen, in anderen Bereichen aber bei der Sachleistung zu bleiben. Ihr beantragt das Budget einfach nur für den Bedarf, der für Euch infrage kommt. Wir haben das Persönliche Budget z.B. für die Häusliche Krankenpflege und die Schulassistenz, die Hilfsmittel erhält Ella aber weiterhin als Sachleistung.
Mein Tipp: Die Zielvereinbarung ist euer gemeinsamer Vertrag mit dem gemeinsamen Ziel das Persönliche Budget zur Sicherstellung Eurer Bedarfe zu verwenden. Neben der Höhe der Geldsumme ist daher wichtig, dass eure Bedürfnisse sich in der Zielvereinbarung klar widerspiegeln. Ihr könnt nur eigenverantwortlich handeln, wenn die Zielvereinbarung euch auch persönlichen Handlungsspielraum verschafft. Sie sollte euch auch stets davor schützen, auf eigene finanzielle Mittel zurückgreifen zu müssen. Eigenverantwortung heißt aber auch, dass man selbst gewissenhaft und mit Bedacht das Persönliche Budget verwaltet.
Die Budgetassistenz als Variante.
Wer das Persönliche Budget nicht allein organisieren möchte, kann auch eine Budgetassistenz beauftragen. Es gibt eine Reihe von Anbietern, die euch von der ersten Beratung über die Verhandlung mit dem Leistungsträger bis hin zur Personalakquise, der Erstellung von Arbeitsverträgen und der monatlichen Lohnabrechnung begleiten, bzw. diese Aufgaben für euch übernehmen. Damit beauftragt ihr eine Firma, die ihre Tätigkeit in Rechnung stellt. Es kann gute Gründe geben, eine Budgetassistenz zu beauftragen. Manchem ist es z.B. aus gesundheitlichen oder anderen Gründen überhaupt erst möglich, das Persönliche Budget zu organisieren, wenn er Hilfe und Unterstützung dabei bekommt. Dennoch sollte man sich immer bewusst sein, dass man selbst der Vertragspartner in der Zielvereinbarung bleibt, d.h. auch für die Handlungen anderer haftet. Bei einer Budgetassistenz ist es also besonders wichtig, einen Partner zu finden, dem man vertrauen kann. Von Generalvollmachten würden wir in jedem Fall abraten. Man kann z.B. für Verhandlungen mit dem Leistungsträger der Budgetassistenz eine Vollmacht erteilen, aber für Verträge nicht. Wenn ihr eine Budgetassistenz beauftragt, geht ihr einen Vertrag mit einer Firma ein, deren Tätigkeit ihr bezahlt. Zwar werden und sollten diese Kosten in der Zielvereinbarung im Rahmen der Beratungskosten abgesichert sein, dennoch würden wir empfehlen, mit dem Leistungsträger über die Variante der Budgetassistenz schon im Vorfeld offen zu sprechen. Dies gehört ganz klar in die Kostenkalkulation, die eure Grundlage für die Verhandlung mit eurem Leistungsträger über die Höhe des Budgets ist. Da wir keine Budgetassistenz beauftragt haben, fehlen uns die Erfahrungen in diesem Bereich. Wir können daher keine Empfehlungen aussprechen und möchten auch keine Namen nennen, weil wir nicht wissen, ob der jeweilige Anbieter vertrauenswürdig ist. Unter den Stichworten „Budgetassistenz“ oder „Persönliches Budget Anbieter“ könnt ihr aber im Internet selbst recherchieren. Möglicherweise können auch unabhängige Beratungsstellen bei der Suche nach einem geeigneten Anbieter weiterhelfen.
Mein Tipp: Stellt euch bereits im Vorfeld die Frage, ob ihr das Persönliche Budget in Eigenregie oder mithilfe einer Budgetassistenz organisieren wollt. Beides hat seine Vor- und Nachteile, die ihr nur für euch selbst abwägen könnt. Ohne die Assistenz habt ihr sicherlich ein höheres Maß an Selbstbestimmung, weil ihr in jedem Bereich unabhängig bleibt. Dies bedeutet aber auch, dass man mehr Arbeit und Zeit für die Verwaltung des Budgets aufbringen muss, wenn man es allein macht. Prüft einfach für euch, ob es auch Möglichkeiten einer Teilentlastung gibt. Vielleicht gibt es ja auch im Familien- oder Freundeskreis Menschen, die euch bei der Verwaltung des Budgets helfen können und denen ihr eher vertrauen möchtet.
Unser Fazit.
Wir nutzen das Persönliche Budget seit einigen Jahren und sind nach wie vor sehr zufrieden damit, weil wir unsere Bedürfnisse selbstbestimmter regeln können. Das bedeutet nicht, dass das Budget auf einen Schlag alle unsere Probleme beseitigt hat. Da wir Mitarbeiter/innen im Sektor Pflege für die intensivmedizinische Versorgung von Ella brauchen, sind auch wir konfrontiert mit dem Problem, dass ein massiver Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt besteht. Sich bei der derzeitigen Versorgungslage auf der Suche nach geeigneten Mitarbeiter/innen „in Konkurrenz“ mit den Kliniken und Pflegediensten zu befinden, macht die Sache nicht gerade leichter. Aber da bei den Fachkräften häufig eine große Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation bei den genannten Arbeitgebern herrscht, kann das Persönliche Budget auch eine Nische oder eine Chance sein, Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter/innen zu schaffen, die zufriedener machen. Ihr könnt einfach flexibler auf die Bedürfnisse eurer Angestellten eingehen. Daher ist es auch wichtig, bei der Zielvereinbarung auf euren Handlungsspielraum zu achten. Bei aller Flexibilität finden wir es aber auch hier wichtig, dass im Vordergrund immer die Sicherstellung der Versorgung des Budgetnehmers steht und man sich als Arbeitgeber im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen hält, um ein seriöser Anbieter zu sein. Berücksichtigt bei eurer Kostenkalkulation auch, dass ihr realistische Gehälter zahlen könnt, schließlich wollt ihr Mitarbeiter/innen für euch gewinnen. Das Gehalt ist zwar nicht der einzige Faktor für die Arbeitnehmerzufriedenheit, aber auch ihr wollt neben eurer Zufriedenheit sicher auch Angestellte, die zufrieden sind und sich nicht ausgebeutet fühlen. Neben der fachlichen Qualifikation eurer Mitarbeiter/innen ist es im Budget nochmal so wichtig, dass ihr Menschen findet, denen ihr vertrauen und mit denen ihr in einem tatkräftigen Team zusammenarbeiten könnt. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen und beide Seiten müssen aufeinander zugehen können. Würden wir uns selbst in der Pflege Ellas nicht gut auskennen und hätten kein gutes Netzwerk an Ärzten, Kliniken und anderen Versorgern und Helfern, auf das wir im Notfall zurückgreifen können, würden wir aus Sicherheitsgründen für Ella das Persönliche Budget nicht nutzen. Man sollte sich auch klar darüber sein, dass man jederzeit in der Versorgung einspringen können muss, wenn es mal personell eng wird. Trotz aller Schwierigkeiten, die auch bei uns schon aufgetaucht sind, ist das Persönliche Budget aber unserer Modell geworden und geblieben, weil es uns die größtmögliche Freiheit bietet, mit Ellas Erkrankung ein glückliches Leben zu führen. Diese Form der Selbstbestimmung ist für uns ein ganz wichtiger Bestandteil unserer persönlichen Zufriedenheit.
Wir würden uns riesig freuen, wenn ihr uns eure Rückmeldung gebt, ob dieser Beitrag für euch hilfreich war. Besonders schön fänden wir, wenn ihr ihn mit euren Erfahrungen oder Anregungen zum Persönlichen Budget bereichert und wir uns austauschen können. Schreibt gern einen Kommentar, das wäre großartig.
Viel Erfolg beim Finden und Leben eures eigenen Modells!
Eure Martina 🔆
Wer schreibt hier?
Hallo, ich bin Martina!
Ich bin eine Schreibsüchtige, die gern liest und Erfahrungen teilt und ich liebe es wie Ella, kreativ zu sein. Auf dieser Seite findet ihr Infos und Gedanken zu verschiedenen Themen, die uns berühren. Leidenschaftlich gern bin ich Ellas Mum und sehr dankbar, dass Papa Stefan uns für alle Verrücktheiten, die uns in den Sinn kommen, den Rücken freihält. Auch wenn er vielleicht auf unserem Blog selten in Erscheinung tritt, ist er ein ganz besonderer Mensch für uns.
Super geschrieben und total umfassend informativ.
Wir stellen auch auf das PB um und werden da von einer Beraterfirma unterstützt, deren Gründer selbst aus dem Pflegedienst-Bereich kommen. Ich war vor allem grade auf der Suche, was passiert, wenn ein Krankenhausaufenthalt ansteht.
Wir sind auch im Bereich der speziellen Krankenbeobachtung mit unserem Baby.
Alles gute für euch und Ella! 🙂